Sagen aus Hunnesrück und Erichsburg

 

Hunnesrück                                                                                       Erichsburg

Der Kirchenräuber                                                                                Der Amtmann und der Kuhhirt

Der Eselsteich                                                                                       Das eingemauerte Kind

Der Bolchenbaum oder die Verlobungslinde                                          Der kleine Herzog Erich

Die weiße Jungfrau in der Burgruine                                                      Der Werwolf- Gürtel

Die weiße Jungfrau und der Schäfer                                                      Angriff eines Werwolfs

Der Hirte und die weiße Jungfrau

 

Hunnesrück

 

Der Kirchenräuber

Wenn man auf dem Weg zwischen Hunnesrück und Lüthorst spazieren geht, trifft man auf der Hälfte des Weges eine Gruppe von Weidenbäumen. Es geht die Sage, dass hier ein Mann begraben liegt, der in Vorzeiten eine Kirche beraubt haben soll. Er hatte wertvolle Gegenstände geraubt und weiterverkauft. Aus diesem Grund, findet er in seinem Grab keine Ruhe und es wird behauptet, dass ihn schon viele Menschen gesehen haben, wie er in tiefer Nacht, mit glühend feurigen Augen an dieser Stelle mit seinen Händen ein Grab wühlt. Er wühlt bis tief in die Erde und wenn er damit fertig ist, legt er sich der Länge nach hinein. Aber am nächsten Tag ist das frisch gegrabene Grab jedes mal wieder zerstört und es bleibt ihm keine andere Wahl als in der nächsten Nacht wieder von vorne anzufangen.

So hat dieser Mann immer noch keine Ruhe gefunden und diese Geschichte lebt weiter in den Köpfen der Menschen.

 

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Der Eselsteich

 

Bei einer Wanderung von Hunnesrück zur Burgruine auf den Amtsbergen kommt man an mehreren Teichen vorbei, deren schönster der Eselsteich ist. Eine Quelle speist dieses idyllische am Waldrand gelegene Becken mit glasklarem Wasser. Früher waren noch viele andere Teiche vorhanden und dienten meist als Fischteiche für die Ernährung der Menschen aus den umliegenden Schlössern und Domänen. Heute sind nur noch der Mühlenteich, der Mittel Teich und der besagte Eselsteich vorhanden.

Für die Bevölkerung der umliegenden Orte hat der Eselsteich noch eine andere Bedeutung. In alten Tagen erzählten die Eltern und Großeltern ihren Kindern oft von Adebar, dem Klapperstorch, der die kleinen Kinder bringt. Und der besagte Klapperstorch holte sich in dieser Gegend die Babys immer aus dem Eselsteich und brachte die Neugeborenen in die verschiedenen Familien. Vorraussetzung dafür war allerdings, dass die Eltern, die sich ein Baby wünschten, vorher Zucker auf die Fensterbank ihres Hauses legten. Wenn der Storch dann den Zucker sah, verspeiste er diesen und flog anschließend zum Eselsteich. Er fischte ein passendes Baby aus dem Wasser und brachte das Wunschkind zu der betreffenden Familie und löste viel Freude und Dankbarkeit aus.

 

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Der Bolchenbaum oder die Verlobungslinde

 

Wenn die ersten warmen Tage im April die Menschen aus Dassel dazu ermunterten die frische Luft zu genießen, wanderten sie oft mit ihren Kindern über den Kuckucksberg nach Hunnesrück.

Am Anfang der Hunnesrücker Weiden - auf denen die schönsten Trakhener-Pferde zu sehen sind - erblickt man den Stumpf einer  dicken Linde. Hier stand immer ein Baum, der im Volksmund als "Dicke Linde" oder auch "Verlobungslinde" genannt wurde. Ein weiterer Name war "Bolchenbaum". Dieser Name hängt mit einem Brauch zusammen, der schon viele Jahre bestanden hat. Den kleinen dasseler Kindern wurde nämlich erzählt, dass auf diesem Baum Bolchen wachsen. Führte nun ein Spaziergang an diesem Baum vorbei, so rüsteten sich die Kinder mit Steinen und Knüppeln aus, um die Bonbons herabzuschlagen und abzuwerfen. Sehr zur Freude der Kinder fielen auch oftmals welche herab. Dies lag aber weniger an den besonderen Früchten des Baumes als vielmehr an den Eltern, die unbemerkt hinter den Kindern Bonbons (Bolchen) in das Geäst warfen oder vorher schon Süßigkeiten im Baum deponiert hatten.

Der Name "Verlobungslinde" kam wohl daher, dass die älteren Kinder und Jugendlichen der damaligen Zeit in der Dämmerung auch Spaziergänge machten und dem Baum als Ort für ein Stelldichein mit der oder dem Liebsten verabredeten. Man kann sich vorstellen, dass bei nächtlichen Liebesschwüren so manches Eheversprechen getätigt wurde und unter dem romantischen Schutz der Linde anschließend eine Verlobung ausgesprochen wurde.

 

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Die weiße Jungfrau in der Burgruine

 

 

 

Auf dem Roten Berge bei Hunnesrück stehen die Ruinen des alten Schlosses gleichen Namens. Das Schloss hat eine lange Geschichte und eben so viele Sagen ranken sich um diesen Ort. Sie handeln meistens von einer weißen Jungfrau, die noch heute in den Ruinen leben soll.

So heißt es, diese weiße Jungfrau besitzt innerhalb dieser Ruinen des Schlosses 12 Zimmer und die dazu gehörigen Schlüssel. Diese Schlüssel hat sie stets bei sich und trägt sie an einem Schlüsselbund an ihrer Seite. Sie lässt sich von den Menschen sehr oft sehen und besonders an den christlichen Feiertagen wie Himmelfahrt und Pfingsten sucht sie die nähe der Menschen. Ihr ist sehr daran gelegen, den armen Menschen zu helfen und es heißt, dass sie besonders den Holzsammlern und Laubträgern gewogen war und sie immer warnte, wenn ein Förster in der Nähe war, denn es war damals verboten Holz oder Laub zu sammeln, das auch den Herren der Schlösser gehörte. So konnten die armen Menschen rechtzeitig verschwinden und sie brauchen keine Bestrafung zu befürchten.

Die weiße Jungfrau wartet seit vielen Jahren auf ihre Erlösung, doch bis heute ist es nicht erfolgt. Einmal soll ein junges Mädchen, dass am Johannistag in der Dämmerung an der Ruine des Schlosses vorbei kam, gesehen haben, wie die weiße Jungfrau davor saß und bitterlich weinte und schluchzte. Sie hatte dabei ihr Schlüsselbund mit den 12 Schlüsseln in der Hand und ihr schluchzen war weit zu hören. Sie fühlte sich sehr allein und hoffte immer wieder auf Erlösung. Das Mädchen aber war sehr erschrocken und fürchtete sich. Es lief schnell davon und ließ die Jungfrau weinend zurück.

 

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Die weiße Jungfrau und der Schäfer

 

 

Unterhalb der Burgruine Hunnesrück befand sich ein Brunnen am Fuß des Roten Berges. Bisweilen war es nun so, dass die weiße Jungfrau zwischen elf und zwölf Uhr herunterkam und mit einem Eimer Wasser aus dem Brunnen holte. Verschiedene Leute hatten sie dort schon gesehen, aber trauten sich nicht , näher heranzugehen. Eines Tages kam ein Schäfer in die nähe des Brunnens ohne die dort stehende Jungfrau zu bemerken. Er wurde jedoch von ihr angerufen und wusste erst nicht so recht, woher die Stimme kam.

Als er sich umsah und der Stimme nachging, erblickte er schließlich die Jungfrau. Er trat zu ihr und fragte sie, was sie von ihm wünschte. Sie blickte ihn traurig an und sagte, er möge doch mit ihr auf die Burgruine kommen und sie erlösen. Da sie so flehendlich bat nahm er allen Mut zusammen und ging mit ihr auf den Berg.

Oben angekommen bat ihn die weiße Jungfrau, die jetzt schon etwas zuversichtlicher wirkte, mit ihr durch ein Loch in die Tiefe der Ruine hinabzusteigen. Er aber bekam jetzt doch furcht und wollte der Einladung nicht so recht folgen. Doch sie ermutigte ihn, mit ihr zu gehen und sich nicht zu fürchten. Das half. Er stieg also mit der Jungfrau durch das Loch in der Tiefe.

Als er unten angekommen war, sah er eine lange eiserne Tafel und da er ein höflicher Mensch war, nahm er seine Mütze ab und legte sie auf den Tisch. Die Jungfrau bat ihn hier stehen zu bleiben und verließ ihn anschließend. Bei seiner Wanderung über den Roten Berg hatte er sich einige Blumen gepflügt und diese an seine Mütze geheftet. Diese aber waren, als er seine Mütze auf den Tisch legte, abgefallen, ohne dass er es bemerkt hätte.

Nach einer gewissen Zeit - der Schäfer hatte sich gemütlich an den Tisch gesetzt und beobachtete seine Umgebung - kam die Jungfrau wieder zurück und brachte ihm drei Geldstücke mit. Es war dies die Belohnung dafür, dass der Schäfer der Einladung gefolgt war, um die Jungfrau zu erlösen. Dabei sagte sie sehr eindringlich zu ihm,  er möge, wenn er wieder ans Tageslicht geht, ja nichts hier unten vergessen. Wenn er etwas vergessen sollte, wäre alle Mühe umsonst gewesen und sein Besuch in der Unterwelt der Burg nutzlos, weil der Schäfer sie dann nicht erlösen kann.

Der Schäfer nahm die Geldstücke dankbar an, war aber etwas gedankenlos und überzeugte sich nicht davon, ob er etwas vergessen habe und bemerkte so auch nicht die auf die Erde gefallenen Blumen. Er hatte es jetzt nur noch eilig wieder nach oben zu kommen. Als die Jungfrau merkte, dass der Schäfer leichtsinnig sein Versprechen vergaß und durch die Tür verschwinden wollte, knallte sie die Tür hinter dem Manne fast zu, dass sie ihm fast die Hacken abgeschnitten hätte und fing dabei fürchterlich und fassungslos an zu schreien: "Warum, warum?  Jetzt wird erst in 100 Jahren wieder einer geboren, der mich erlösen kann." Ihr Schreien hallte in der Burg und im Wald von den Bäumen wieder und der Schäfer versuchte beschämt diesen Ort schnellstens zu verlassen.

Er erzählte allen, die er traf, von seinem Erlebnis und hatte dabei ein sehr schlechtes Gewissen, weil er dem verständlichen Wunsch der Jungfrau nicht nachgekommen war, sie auf so eine leichte Art und Weise und gegen Belohnung befreit zu haben. Und wieder muss die weiße Jungfrau 100 Jahre auf ihre Erlösung warten.

 

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Der Hirte und die weiße Jungfrau

 

 

100 Jahre später kam wieder ein junger Hirte an dem Brunnen unterhalb des Roten Berges vorbei und auch er begegnete der weißen Frau und sah sie blass und traurig dort sitzen. Sie tat im leid, doch traute auch er sich nicht ohne Aufforderung näher an sie heran. Die Jungfrau und der Hirte sahen sich lange wortlos an und schließlich winkte sie ihm doch zu ihr zu kommen. Als sie sich gegenüberstanden, bat sie ihn, ihr zu folgen. Der Hirte hatte vertrauen zu der weißen Frau und kam der freundlichen Aufforderung nach.

    Sie führte ihn zu einer "eisernen Klappe" in der Burgruine und öffnete sie. Der Hirte sah einen geöffneten Raum und stieg durch die eiserne Klappe hinein. Er blickte sich interessiert um und sah als erstes eine wunderschöne Blume. Er pflügte sie und steckte sie sich an seinen Hut. Des weiteren sah er in dem großen Raum einen Tisch und viele eiserne Kisten stehen, die bis zum Rand mit purem Gold gefüllt waren. Er war sehr erstaunt und begeistert von dem offensichtlichen Reichtum der weißen Jungfrau. Nie hätte er vermutet, dass in den Ruinen solche Schätze schlummerten, die nur darauf warteten, geholt zu werden. Die weiße Jungfrau hatte den Raum verlassen und der Hirte nutzte die Zeit, sich die Taschen mit Gold zu füllen und da er jetzt schon etwas habgierig wurde, nahm er seinen Hut  ab und füllte auch diesen mit dem Gold aus den eisernen Kisten. Dabei nahm er die Blume vom Hut und legte sie achtlos auf den Tisch. Jetzt versuchte er wieder möglichst schnell ans Tageslicht zu kommen, öffnete die eiserne Klappe, stieg hinaus und wollte fortgehen, nachdem sich die Klappe wie von selbst geschlossen hatte.

Als er draußen war, hörte er wie die Jungfrau laut und herzerweichend weinte und schluchzte und ihm dabei zurief: "Hättest du die Blume mitgenommen, so wäre ich heute endlich erlöst worden." Als der Hirte das hörte, fiel ihm brennend heiß ein, was die Leute sich immer noch erzählten, dass nämlich nur der die weiße Jungfrau erlösen kann, der nichts bei der Jungfrau vergisst, wenn er bei ihr unter der Ruine weilt und seine Belohnung abholt. Der Hirte schämte sich sehr, als ihm das einfiel und er machte sich große Vorwürfe, dass er daran nicht gedacht hatte. Doch jetzt war es zu spät und er hörte noch, wie die weiße Jungfrau weiter sagte: "Nun muss ich weiter verzaubert bleiben. Jetzt muss erst wieder ein großer Baum wachsen und das dauert viele, viele Jahre. Aus dem Holz dieses Baumes muss eine Wiege geschnitzt werden und das Knäblein, welches darin gewiegt wird, muss groß werden und erst dieser junge Mann kann mich dann erlösen." Der Hirte war noch betroffener geworden und konnte es sich nicht verzeihen, so versagt zu haben. Er stand wortlos und traurig da und als er zu der eisernen Klappe schaute, war diese und natürlich auch die Jungfrau nicht mehr da. Das Gold, dass er mitgenommen hatte, durfte er aber behalten, denn die weiße Frau, die jetzt wieder 100 Jahre auf ihre Erlösung von der Verzauberung warten musste, war nicht nachtragend. Nachdenklich und beladen mit Selbstvorwürfen ging er nach Hause  und schenkte das Gold seiner Braut. Er hatte keine Freude mehr daran.

 

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Erichsburg

 

 

Der Amtmann und der Kuhhirt

 

 

Einst saß ein armer Viehhirte auf einem Feld und hütete die Kühe des Amtmannes von Erichsburg. Es war ein sonniger Tag und der junge Mann hätte gern etwas Anderes unternommen, aber er war sehr zuverlässig und ließ die Herde des Amtmannes nicht aus den Augen. Am Abend wollte er die Kühe wieder ins Dorf treiben und dabei geschah es, das eine Kuh über einen Steinhaufen springen wollte, dabei fiel und umkam. Der junge Hirte war verzweifelt und brachte die anderen Kühe in ihren Stall. Dann ging er zum Amtmann und erzählte ihm vom Unglück der Kuh. Dieser tobte, obwohl der Hirte seine Unschuld beteuerte. Der Amtmann hatte kein Erbarmen und befahl, dem Hirten seine einzige Kuh aus dem Stall wegzunehmen. Der Hirte flehte bei seinem Herrn um Nachsicht: "Herr, ich bin euch seit Jahren treu ergeben, so habt doch ein Einsehen. Meine Familie hat nur diese eine Kuh und meine Kinder brauchen ihre Milch". Doch der Erichburger Amtmann hatte keinerlei Mitleid. Der arme Hirte verwünschte seinen Herren für dessen grausame Tat und sagte: "Möge er doch bis zum Ende der Welt über die Felder reiten und nach Kühen suchen".

Der Fluch erfüllte sich auf grausame Weise. Als nun das Ende des Amtmannes nahte, konnte dieser nicht eher sterben, bis man ihn auf eine Kuhhaut bettete und auf dieser hinausschleifte. Nach seinem Tode reitet er seitdem ruhelos über die Felder auf dem Dreische bei Denkiehausen.

Eines Tages gingen nun zwei Männer auf ihrem Weg nach Hause an den Feldern am Dreische vorbei. Sie hatten als Tagelöhner gearbeitet und waren sehr erschöpft. Der eine Mann stammte aus Denkiehausen und erzählte dem Anderen vom ruhelosen und hartherzigen Amtmann und sagte zu ihm: "Wenn du den Amtmann sehen willst, musst du mir auf den linken Fuß treten und mir über die rechte Schulter schauen. Nicht alle Menschen können ihn so einfach sehen, es sei denn Du tust, was ich dir geraten habe". Der Mann tat, was der Andere ihm geraten hatte und sah den Erichsburger Amtmann auf seinem Schimmel direkt auf sie zukommen. Er erschrak fürchterlich, doch der Denkiehäuser war ein beherzter Mann, der nicht mal den Teufel fürchtete und rief laut: "Brrr"! Der Amtmann-Schimmel stand sogleich still. Darauf gingen die beiden miteinander weiter, bis sich ihre Wege trennten. Der mutige Denkiehäuser ging pfeifend in sein Dorf zurück und der andere lief aus furcht vor dem Gespenst des Amtmannes spornstreichs in sein Heimatdorf.

 

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Das eingemauerte Kind

 

 

Vor langer Zeit, als die Menschen noch abergläubisch waren, sollte die Erichsburg gebaut werden. Um die Burg für Feinde uneinnehmbar zu machen, beschloss man, ein kleines Kind in das Fundament der Burg einzumauern. Dazu wurde ein Neugeborenes ausgewählt und einer Haushälterin übergeben. Diese sollte das Baby umsorgen, bis es ein Jahr alt wurde. Dann sollte es in das Fundament eingemauert werden. Die Frau kümmerte sich liebevoll um das Kind und bekam großes Mitleid. So bemühte sie sich Tag um Tag dem Kleinen das Sprechen beizubringen. Denn, nur wenn das Kind nicht sprechen könne, sei der Zauber wirksam.

 

Die Zeit verging und das Kind war nun ein Jahr alt. Bevor es nun eingemauert werden sollte, stellte man es auf die Probe und fragte: "Was ist weicher als ein Samtkissen?" Das Kind antwortete: "Der Mutter Schoß". Verdutzt schauten sie das Kind an und stellten eine neue Frage: "Was ist süßer als Honig?" "Der Mutter Brust" antwortete wiederum das Kind. So gaben sie auf und das Kind war gerettet. Die Haushälterin schloss es glücklich in die Arme, nahm es als eigenes Kind an und zog es auf.

 

Nach einer anderen Überlieferung soll wirklich ein lebendiges Kind in den Turm der Erichburg eingemauert worden sein. Es heißt, wenn der Sturmwind heult, höre man das traurige Wimmern und Klagen des Kindes noch heute.

 

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Der kleine Herzog Erich

 

 

Herzog Erich und seine Frau saßen eines schönen Tags nichts ahnend in ihrer Erichburg. Der Herzog hatte die Burg einst erbauen lassen und so ist sie auch nach ihm benannt worden. Doch er hatte viele Neider und an eben diesen Tag machte sich ein Fürst daran, die Burg zu überfallen und zu belagern. Der Herzog Erich und seine Mannen kämpften hart, doch sie konnten die Burg auf Dauer nicht halten, so dass er damit rechnete, das die Erichsburg bald von dem Fürsten und seinen Männern eingenommen würde. Die Herzogin hatte Angst um ihren Mann Erich und wusste nicht so recht, wie sie sich und ihren Gemahl aus dieser misslichen Lage befreien sollte. Doch dann kam ihr eine rettende Idee. Sie trat mutig vor den Fürsten, machte einen Kniefall und bat ihn, ihr freien Abzug zu gewähren. Sie wolle auch nur das mitnehmen, was sie in ihrem Rückenkorbe ( Kipe ) forttragen könne, sagte sie zum Fürsten und dieser willigte ein.

Der Belagerer glaubte, sie würde ihre Kostbarkeiten, Schmuck und dergleichen einpacken, aber die Herzogin rief ihren Mann Erich und wies ihn an, in den Tragekorb zu steigen. Zum Glück war der Herzog sehr klein und passte ohne Mühe in den Korb. Sie deckte sorgsam ein Tuch darüber und ging fort. Der Fürst hatte dies zwar gesehen, wollte aber sein Wort nicht brechen und ließ sie samt ihrer wertvollen Fracht ziehen. Die Herzogin wanderte schwer Atmend nach Hunnesrück und stellte den Korb dort ab, um ihren Mann dort aussteigen zu lassen.

Der Herzog erblickte die Sonnenstrahlen und meinte erleichtert: "Jetzt bin ich doch noch Herzog Erich!" Glücklich umarmte er seine Frau und beschloss an dieser Stelle eine Kirche zu errichten.

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Der Werwolf- Gürtel

 

Es heißt, das man sich mit Hilfe eines Gürtels, der aus der Haut eines Gehängten geschnitten wurde in einen Werwolf verwandeln könne. Ein Werwolf (Bèrwulf) ist ein Mensch in Wolfsgestalt, der ruhelos durch die Vollmondnächte hetzt und seinen Opfern Schlimmstes zufügt. Ein solcher Werwolf wurde als schwarz beschrieben, von der Größe eines mittelgroßen Kalbes. Der Gürtel hält durch eine Schnalle mit sieben Zungen und es heißt, wenn man den Gürtel an dieser Stelle aufschlüge, könne man den Bann brechen und der Werwolf steht wieder als nackter Mann da.

Auf der Erichsburg wurde einst in einer staubigen Kammer alter Krimskram aus vergangenen Zeiten aufbewahrt. Es waren allerlei Sachen, die den verschiedensten Menschen gehörten. Darunter waren Kleidungsstücke, Taschen, Bücher und alte Jagdgewehre, die einst Wilddieben abgenommen worden waren. In eben dieser Kammer befanden sich mehrere Werwolfsgürtel.

Der Amtmann hatte nun angeordnet, das diese Kammer ausgeräumt werden sollte und der Bedienstete sollte die Sachen verkaufen. Als dieser sich auf den Weg machte, traf er einen Bekannten und ließ es sich nicht nehmen, über seinen Auftrag zu prahlen. Die beiden Männer fragten sich, ob es tatsächlich möglich wäre, sich mit Hilfe eines der Gürtel in einen Werwolf zu verwandeln. "Das möchte ich doch wissen", sagte der Bedienstete. Er hastete die schmale Treppe in den Turm der Erichsburg hinauf und suchte voller Neugierde nach dem Zimmer, in welchem die Gürtel verwahrt waren. Völlig außer Atem betrat er den Raum und legte flink einen Gürtel um. Es dauerte gar nicht lange, bis er erste Symptome einer Verwandlung an sich bemerkte. Zuerst wurde ihm schwindelig, er fing an zu schwitzen und wankte auf die Straße. An einem Zaunpfosten stützte er sich ab und bemerkte, das ihm seine Sicht abwechselnd scharf, bis unscharf erschien. Er fiel zu Boden. Plötzlich wurde sein Körper von Krämpfen befallen und der Mann bemerkte die plötzliche äußerliche Veränderung nicht. Sein Körper wuchs in Sekunden mit borstigen Haaren zu, seine Hände wurden zu riesigen Pranken, sein Gesicht wurde länger und länger, mit kräftigen Reißzähnen, so dass er bald die schwarze Gestalt eines riesigen Wolfes hatte und lief als solcher in Richtung Hunnesrück. Alsbald erfuhr der Amtmann von den Eskapaden seines Bediensteten. Er schwang sich sofort auf sein Pferd und eilte ihm im Galopp hinterher, um die Sache zu prüfen und zu bereinigen.

Auf dem Bruche über Hunnesrück holte er den Werwolf ein und dieser fiel sofort das Pferd des Amtmannes an. Doch der Amtmann war mit dem Schwert geübt und verpasste der Wolfsgestalt einen kräftigen Hieb auf die Schnalle des Gürtels,  der sich auf dem Rücken des Werwolfs befand. Diese Schnalle sprang sogleich auf und die Wolfshaut fiel wie eine Hülle von ihm ab. Nun stand der Bedienstete wieder in seiner menschlichen Gestalt da und wurde nie wieder als Werwolf gesehen.

 

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Angriff eines Werwolfs

 

Eine andere Sage beschreibt, wie einst ein Mann von Erichsburg nach Lüthorst gegangen ist um eine Spinnstube zu besuchen. Diese Spinnstuben waren vor langer Zeit Orte, in denen gemeinsame Spinnabende des Dorfes abgehalten wurden. Sie wurden auch als Rocken-, Kunkel-, Lichtstuben und Heimgärten bezeichnet. Es wurde geredet und gearbeitet.

Als der Mann bei seinem Gang über eine Hecke steigen wollte um den Weg abzukürzen und schon einen Fuß hinüber gesetzt hatte, sprang plötzlich ein großer Werwolf aus dem Gestrüpp und mit fletschenden Zähnen griff er den Mann an. Da dieser aber sehr schnell reagierte, riss der Werwolf ihm nur einen Absatz vom Stiefel ab. Der Mann floh schnellstens ins Dorf und aus unerklärlichen Gründen folgte ihm der Werwolf nicht.

 

 

Quelle:

Konzept:     Sandra Jürgens                    Herausgeber:        Verlag Georg Jürgens

                                   Bad Lauterberg;                                               37586 Dassel, Mackenser Str. 3

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