Das Gestüt – das Dorf – die Leute                                                                                                                

Die Kartoffelernte

Der Schlachttag

Das Erntefest

Der Obstverkauf

Die Leute

 

Das Gestüt – das Dorf – die Leute

 

 

Bis zum beginn des Wirtschaftswunders in Deutschland waren diese drei Begriffe durch nichts zu trennen.

Hunnesrück ist kein Dorf, wie z.B. Deitersen oder Lüthorst. Dort scharten sich die Häuser oder Bauernhöfe um die Kirche, also ein so genanntes Haufendorf.

Erichsburg dagegen wurde im Schatten einer Burg gebaut. Als die Domänenverwaltungen Hunnesrück und Erichsburg zusammengelegt wurden, baute man soviel Wohnhäuser wie nötig waren. So entstand ein Reihendorf, mit Häusern rechts und links der Dorfstrasse. Alle Wohnungen waren belegt mit Tagelöhnern der Domäne.

Nicht nur Arbeiter aus Hunnesrück, sondern auch aus Mackensen, Deitersen und Lüthorst kamen nach Hunnesrück um ihr Geld zu verdienen. Schon damals wurde zwischen Deputat und Fremdarbeitern unterschieden. Es gab in Hunnesrück nichts, außer dien persönlichen Dingen, die nicht zum Gestüt gehörten.

Der Arbeitsplatz, die Wohnung, der Garten, das Deputatkartoffelland, die Gerste zum schroten, die Weide auf der die Deputatkuh im Sommer weidete, der Stall, der Krug, der Kramladen, der Milchwagen, der die Hauptverbindung nach Dassel war, die Postkutsche, das Brennholz, das Backhaus und noch vieles mehr. Alles gehörte zum Gestüt.

Sogar die Arbeitskraft der Frau gehörte zum Hof. Denn in der Erntezeit mussten auch die Frauen der Tagelöhner auf Abruf erscheinen. 12 Stunden im Sommer waren die Regel. Morgens um 06:30 Uhr trafen sich alle Arbeiter auf dem Hof. Vorher hatte der Inspektor mit dem Hofmeister die Arbeitseinteilung besprochen.

Der Hofmeister verteilte dann die Arbeiter auf ihre Posten. Schon damals gab es Spezialisten: Maschinenführer, Speichermeister, usw.

Schmiedemeister und Stellmacher genossen auch schon höheres Ansehen.

Von 08.30 Uhr bis 09.00 Uhr war Frühstück, von 11.30 Uhr bis 13.00 Uhr Mittag. Die Mittagspause war deshalb so lang, weil die Arbeitspferde eben diese Zeit benötigten, um ihren Hafer und Häcksel zu fressen.

Von 14.30 Uhr bis 15.00 Uhr war Kaffeezeit. Egal ob auf dem Acker um Rüben zu hacken oder auf der Wiese um Heu zu wenden, wenn auf dem Hof die Bimmel läutete, ließen sie ihr Arbeitsgeschirr fallen und machten ihre wohlverdiente Pause.

Vorher hatte der Hofmeister 3 oder 4 Arbeiter an die Strasse geschickt, die dann 50 -60 Vespertaschen holten und nach der Pause wieder zurückbrachten.

Wenn dann abends um 18.30 Uhr Feierabend war, ging aber zu hause die Arbeit noch mal richtig los.

Der Garten musste gegraben werden, hacken, häufeln, Dünger streuen und roden, so war der Ablauf. Die Frauen mussten, wenn sie tagsüber im Tagelohn waren, abends die Kinder, das Haus, das Vieh ( Enten, Schweine, Hühner, Ziegen ) versorgen.

Eine der Hauptaufgaben der Frauen, war das Melken der Deputatkühe. Jeden Morgen und jeden Abend, dasselbe Theater. Im Sommer auf der ersten Weide an der „neuen Scheune". An den Kastanienbäumen hingen ringsum den Stamm an den Nägeln die Melkeschemel. Mit Futter und Melkeeimer zogen die Frauen los. Jede Kuh hatte ihren Namen und kannte die Stimme ihrer Herrin. Die Kuh band man am Zaun fest, den Futtereimer vors Maul gestellt, der Melkeschemel hingestellt und schon konnte es losgehen. Im Winter standen die Kühe unter dem Speicher. Sie wurden dann von einem Futterknecht versorgt.

Jeden Morgen wurde die Milch in einer Milchkanne auf die Milchbank an der Hauptstrase gestellt. Jeder hatte eine bestimmte Nummer an der Kanne, damit keine Verwechslungen vorkommen konnten. Wollte man Butter, Quark oder Magermilch zurück haben, klemmte man einen Zettel unter den Deckel. Dann brachte der Milchwagen das gewünschte von der Molkerei aus Dassel mit. Der Milchwagen nahm die Gestütsmilch und Deputatmilch mit. Ferener war der Milchwagen die einzige Verbindung von Hunnesrück und Erichsburg nach Dassel. Hatte jemand Besorgungen aus Dassel zu machen, sei es vom Schlachter, aus der Apotheke oder vom Kohlenhändler, alles besorgte der Milchfahrer.

An Sylvester ging der Milchfahrer alle Geschäfte ab und als Dank für seine Gefälligkeiten bekam er bei jedem einen oder auch zwei Schnäpse. Es ist oft vorgekommen, dass die Pferde mit einem Kutscher über den Berg kamen, der fest schlief.

Aber die Pferde blieben an der ersten Milchbank stehen. Keiner regte sich auf und jeder bekam das, was er bestellt hatte. Die Deputatkühe der Erichsburger Hofmeister und Arbeiter standen am Südgiebel des Schafstalles. Auch diese Kühe wurden vom Hof gefüttert. Meistens machte das ein alter Mann, der nicht mehr für alle Arbeiten einzusetzen war.

12 Gespannführer waren für 48 Arbeitspferde verantwortlich. Morgens um 4 Uhr mussten sie aufstehen, ihre Pferde füttern, misten und putzen. Dann mussten sie noch getränkt werden. Anschließend schirrte man die Pferde auf, aber sie blieben noch neben der Futterkrippe stehen.

Inzwischen hatte der Hofmeister, der für die „Ackerknechte" zuständig war, die Leute und Pferde für ihre Arbeit eingeteilt.

Hier gab es dann auch wieder Spezialisten. Einer konnte am besten anfurchen. Man konnte eine Pflugfurche auf 1000 m sehen, wie an einem Lineal gezogen.

Manch Pferd ließ keinen Wagen stehen, andere waren so faul, dass sie sich kaum rühren mochten. Es gab Arbeiten, die zwei- drei oder gar vierspännig gemacht werden mussten. Musste 4- spännig gefahren werden, so wie Mist oder Holz mit einem Kastenwagen, dann bekamen die Hinterpferde ein extra Geschirr. Das Hauptpferd, meist das älteste und erfahrenste, einen Sattel. Von hier aus bediente der Gespannführer dann sein Gespann. Brauchte er aber nur 2 Pferde, wie beim Grasmäher, vor dem Ernteleiterwagen oder vor dem Schwader, wurde ein Mann aus der Kolonne für die Vorderpferde zugeteilt. Der Ackerknecht gab nie seine Hinterpferde aus der Hand. Abends wurden die Pferde, wenn sie vom Acker kamen und schmutzige Hufe hatten, durch die Pferdeschwämme geführt.

Wenn die Pferde nach hause geritten wurden, blieb man gleich sitzen. Es konnte aber auch passieren, dass man vom Bierberg neben den Pferden nach hause gehen musste. Denn die jungen Arbeitspferde waren oft nicht eingeritten.

Von den Remontepferden wurden jedes Jahr ein paar Hengste die nicht zur Zucht taugten, kastriert und als Arbeitspferde eingefahren und später auch eingeritten.

Abend fütterte dann jeder Ackerknecht seine Pferde noch einmal, gab ihnen Heu und konnte dann Feierabend machen. Sein Stundenlohn lag etwas höher als bei einen normalen Landarbeiter. Abwechselnd musste immer ein Ackerknecht über Nacht im Stall bleibenund auf dem Stroh schlafen und die Pferde bewachen. Die meiste Arbeit gab es bei der Getreide- und Heuernte. Viele Futterrüben, weniger Zuckerrübenergänzten die Fruchtfolge. Nachdem der Acker 3- spännig gepflügt wurde, wurde geeggt und anschließend gedrillt.

Im Frühjahr striegelte man das Getreide und hackte es auch von Hand. Dünger streute man mit der Hand, gespritzt wurde gar nicht.

Im Herbst, wenn das Getreide fast reif war, wurde mit der Sense gemäht. Später, bis 1952, wurden dann die großen Stücke ringsum mit der Sense angemäht. Die Frauen mussten das Getreide zu Garben zusammenbinden. Garbenleger, später Selbstbinder mähten dann das Stück ab. Alle verfügbaren Arbeitskräfte stellten dann das Getreide in Haufen ab.

Der Hofmeister achtete darauf, dass es schnurgerade wurde. In nassen Sommern musste das Getreide auch mal umgestellt werden. Wenn es dann trocken war, wurde es auf Leiterwagen geladen. Zwei Mann zum aufstaken, zwei Männer oder Frauen auf dem Wagen zum laden.

Das Fuderladen war eine Wissenschaft für sich. Die Ecken über Kreuz, keine Ähre durfte nach außen sein. Obenauf kam die Baumschicht, darauf der Westbaum. Vorn und hinten ein Bindeseil. Mit Winde und Windesporn wurde das Fuder dann festgefreilt. So ging es zu einer Scheune. Hier gingen 2 Mann auf das Fuder und im Fach, auch Banse genannt, standen 3 – 4 Mann in einer Reihe und so flogen die Bunde von einer Forke zur anderen, ohne das sie den Boden berührten. Der letzte musste fein säuberlich bansen.

Im Winter stand dann auf der Tenne die Dreschmaschine und es ging rückwärts. Von der Wand über 4 Forken zur Dreschmaschine. Der alte Flöter musste noch von Hand gefüttert werden. Mit einem Messer in der rechten Hand stand ein Mann und schnitt die die Bunde auf und legte sie ein.

Ganz früher wurde die Dreschmaschine von einer Dampfmaschine angetrieben. Später mit einem riesigen Motor, der auf einem Motorwagen stand und ein Treibriemen trieb damit die Dreschmaschine an.

Neben dem Maschinenführer und 8 -10 Mann in der Banse, waren noch 2 Mann an den Säcken. Wenn der Sack voll war, wurde er abgewogen, zugebunden und beide setzten den ca. 1 ½ Zentner schweren Sack auf einen Tisch. Einer nahm den Sack auf den Rücken und brachte ihn eine kurze Treppe hoch auf einen Kastenwagen. Der andere kümmerte sich inzwischen um den nächsten Sack.

Später war dann an der Dreschmaschine ein Sackaufzug angebaut, der den Sack mit Maschinenkraft auf Schulterhöhe brachte. Hinten an der Dreschmaschine war eine Niederdruckstrohpresse angebracht. 2 Mann waren auf dem Leiterwagen und haben Strohbunde geladen.

Vor dem Wagen blieben die Pferde stehen und wenn der Strohwagen voll war, fuhr de Gespannführer los und der nächste schob seinen Wagen rückwärts unter die Strohrutsche.

Ein nächster Arbeiter war damit beschäftigt, die Kaff, die beim Dreschen unter die Dreschmaschine fiel, mit einem Spankorb auf einen Kastenwagen zu tragen. Diese Kaff wurde im Kuhstall in eine Kaffkammer gebracht und den Kühen als Ballast unter das Futter gemischt.

Die vollen Strohwagen wurden zu irgendeinem Viehstall gefahren und wieder 4 – 6 Arbeiter waren mit dem Strohabladen beschäftigt.

Die vollen Getreidewagen kamen zum Speicher. Die Säcke wurden am Aufzug nach oben gezogen und durch kleine Löcher auf den darunter liegenden Boden geschüttet.

Der Speichermeister machte mit einem Schieber ca. 1 Meter hohe, 10 -15 Meter lange und 8 Meter breite Haufen aus Getreide. Das waren richtig kleine Kunstwerke. So konnte man genau ausmessen, wie viel Kubikmeter Getreide es waren und das genaue Gewicht bestimmen. Später wurde das Getreide wieder eingesackt.

Das Futtergetreide wurde zur Mühle gefahren und für das Vieh geschrotet. Der Weizen wurde als Mahlweizen verkauft. Der Hafer blieb im Betrieb als Pferdefutter.

Jeder Arbeiter bekam jeden Monat sein Deputatgetreide. Das Futtergetreide brachte jeder, nachdem der Hofmeister es einmal im Monat auf dem Speicher angegeben hatte, gleich zur Mühle und konnte 1 -2 Tage später sein Schrot abholen.

Der Roggen wurde gleich zum Bäcker nach Dassel oder Lüthorst gebracht. Der Bäcker schrieb dann in einem Backbuch das Brot gut, das an für eine Zentner Roggen bekam. Wenn der Bäcker zweimal die Woche ins Dorf kam, brauchten die Frauen nur Backgeld bezahlen.

 

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Die Kartoffelernte

 

 

 

Als weiteres Deputat bekam ein vollwertiger Arbeiter bis zu einem Morgen Kartoffelland.

Das Pflanzen und Roden kam im Dorf immer einer Völkerwanderung gleich.

Im Mai, wenn die Frühjahrsbestellung auf dem Gestüt abgeschlossen war, hieß es morgens, es werden Kartoffeln gepflanzt.

Vorher hatten die Familien, meist die Frauen, im Keller Pflänzer vom Vorjahr abgekeimt und nah Sorte und Namen in Säcke sortiert, Zettel dran und zugebunden.

Die Männer trugen die Säcke aus dem Keller und stellten sie an die Straße. Nach peinlich genauer Reihenfolge wurden dann die Säcke am Morgen mit dem Pferdegespann abgeholt. Frauen, Kinder, Spaten und Körbe oben auf die Säcke und ab ging es zum Feld. Der Hofmeister hatte vorher schon das Stück ausgemessen. Kleine Holzpfähle wurden im Quadrat an allen vier Ecken geschlagen. Mit Namen drauf konnte jeder sein Kartoffelland bis zum Herbst wieder finden. Die Reihenfolge fing vom Inspektor über Handwerker, Hofmeister und Arbeiter, je nachdem wie lange sie im Betrieb beschäftigt waren. Mit Spaten und Körben bewaffnet, ging es dann los. Nachbarn halfen sich gegenseitig und so wurde mit dem Spaten ein Loch gemacht und dann eine Kartoffel hineingelegt und leicht darauf getreten. Waren alle Kartoffeln gepflanzt, wurden sie mit einem Häufelpflug angehäufelt.

Nun lag es an jedem selbst, ob er viel oder wenig Dünger auf sein Deputatland streute. Als das erste Unkraut aufgelaufen war, wurde gestriegelt und wieder angehäufelt. Zwischendurch wurden die Kartoffeln auch noch mit der Hand gehakt. So ging das ein paar Mal, bis die Kartoffeln zugewachsen waren.

Im Herbst, wenn die Ernte eingebracht war, ging es dann langsam los. Die Ferkel, die im Frühjahr gekauft wurden, waren größer, die alten Kartoffeln waren alle. Die paar Reihen auf dem Garten waren auch bald aufgebraucht. Jetzt zog schon der eine oder andere mit Handwagen, Grepe, Säcken und Körben zum Feld, um eine Spur oder das Vorgewende wegzuroden. Der große Tag kam immer näher. Die Omas hatten die Säcke gestopft, die Weidenkörbe waren repariert. Mit dem Nachbarn wurde abgesprochen, wann jeder roden wollte, denn auch jetzt wurde sich wieder gegenseitig geholfen.

Die große Kaffeekruke aus Ton wurde mit Kaffe gefüllt. Brot, gute Butter und der Prunker, das war die Mettwurst in den Flomenhäuten, wurde eingepackt und zum Frühstück angeschnitten.

Jede Menge Säcke, Grepen , Körbe und Bindfäden lud man auf den Handwagen und alles was laufen konnte, zog zum Feld. Einige rodeten die Kartoffelhörste aus und die Kartoffeln lagen blank und sauber in einer Reihe. Immer zwei Bulten zu einer Kartoffelreihe.

Ältere Frauen und Kinder mussten auflesen. Es musste gut sortiert werden. In einen Korb die dicken Kartoffeln, in einen die kleinen und in einen dritten die Pflänzer. Die Männer schütteten die Körbe aus und zeichneten gleich die Säcke. An die kleinen Kartoffeln kam trockenes Kraut, an die Pflänzer grünes Kraut. Die Schweinekartoffeln wurden nicht gekennzeichnet. Bei den Esskartoffeln wurde über die Blume gebunden.

Lustig ging es beim Frühstück zu und am Nachmittag wurde auch ein Kartoffelfeuer angesteckt. Kartoffeln wurden in der Glut gebraten und die Kinder sahen wie Schornsteinfeger aus, wenn sie die halb verbrannten Kartoffeln gegessen hatten.

Nach dem Feierabend rollten dann gut ein Dutzend Gespanne mit Flechtwagen an. Jeder Gespannführer hatte einen Sackknüppel mit und zusammen mit den Hausherren wurden die Säcke auf den Wagen geladen. Die Kinder durften das Gespann weiterfahren und so dauerte es nicht lange und die Säcke waren vom Feld.

Obenauf wieder Kind und Kegel, Oma und Opa und ab ging es nach hause.

Vor der Haustür spannte der Ackerknecht seine Pferde aus und brachte sie in den Stall.

Ins Kellerfenster wurde eine Kartoffelrutsche gestellt, die Säcke auf die Rutsche geschüttet und mit lautem Gepolter sausten die Kartoffeln in den Keller. Die Nachbarn halfen sich gegenseitig.

In einem guten Kartoffeljahr, wenn der Keller durch das Kellerfenster voll war, wurden auch durch ein Loch in der Küche die Kartoffeln bis an die Kellerdecke geschüttet. Denn ein Morgen Kartoffelland konnte bis zu 120 Zentner Kartoffeln bringen.

 

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Der Schlachttag

 

 

Dieses war dann wieder die Voraussetzung dafür, dass die 4 oder auch mehr Schweine, die in jedem Schweinestall in 2 Buchten saßen, bis zum Winter ordentlich Fett wurden. Diese Schweine waren die einzige Fleischquelle die ein Landarbeiter neben einem Huhn oder einer Ente hatte.

Meistens schlachtete jeder Haushalt 2 Schweine. Die anderen wurden zu Weihnachten verkauft. Sie waren die einzige Spardose, die die Leute früher kannten.

Die Ferkel wurden im Frühjahr in den umliegenden Dörfern oder bei einem fahrenden Händler aus Fredelsloh gekauft. Das Schlachten wurde schon im Herbst beim Schlachter in Lüthorst bestellt.

War der Tag gekommen, wurden vorher die Wurstdosen zum Abschneiden gebracht und anschließend geschrubbt.

Die Gewürze wurden zusammen mit den Bindfäden in der Mühle eingekauft. Man brauchte nur zu sagen wie schwer das Schwein ist und bekam die richtige Menge. Morgens um 5 Uhr heizte man den Kessel im Schuppen unter, damit das Wasser zum Abbrühen um 7 Uhr heiß war. Der Tag lief immer ab, wie ein Uhrwerk.

Kam der Schlachter, ging er zuerst in den Schuppen, tauchte den Finger in das Wasser und prüfte, ob das Wasser gut war. Das Schwein hatte er am Vortag schon angeschaut. Er warf dann seinen Sack mit den Glocken und den Haken in den Schuppen und ging in die Küche. Nun wurde erst einmal Kaffee getrunken und ein wenig geklönt.

So, und nun ging es los.

Mit einem Strick in der Hand ging der Schlachter in den Stall und band das Schwein mit einem Spezialknoten am Hinterbein fest. So wurde es vor die Stalltür getrieben und am Türhespen festgebunden. Mit der Erfindung des Schießpulvers betäubt man die Schweine mit einem Bolzenschussgerät. Davor machte man das mit einer Bolzenaxt.

Die Frau stand schon mit der Molle bereit, der Schlachter zog sein großes Messer aus der Messertasche, stach dem Schwein in den Hals und das Blut schoss in die Molle.

Das Blut musste, damit es nicht gerinnen konnte, eine ganze Zeit lang gerührt werden.

Nun wurde der Abbrennetrog vor die Füße des toten Schweins gelegt und das Schwein so hineingerollt, dass es auf dem Bauch lag.

Der Schlachter prüfte noch mal das heiße Wasser. Entweder war es gut oder wenn es zu heiß war, kam schnell ein Eimer kaltes dazu und das Wassertragen ging los.

Das Wasser wurde nicht mit dem Eimer, sondern mit einem Stieltopf aus dem Kessel gefüllt. Denn das restliche Wasser brauchte man später zum Fleischkochen.

Sauberkeit war hierbei oberstes Gebot. Waren nun die Schweineborsten lose, bekam jeder eine Glocke in die Hand und es wurde geschrubbt. Die Borsten flogen nur so. War der Rücken sauber, drehte man das Schwein, so dass die Füße nach oben ragten. 4 Beine, 4 Mann mit Glocken, der Schlachter fasste mit den Fingern in die Nasen Löcher des Schweins, hob den Kopf hoch und putzte mit der Glocke diesen. An zwei Glocken waren Haken. Hiermit zog man den Schweinen die Schuhe aus. Die Schuhe, das war die Hornschicht der Klauen. War das Schwein dann soweit sauber, wurde das warme Wasser aus dem Abbrennetrog abgegossen und das Schwein auf den Schlachtetisch gehoben. Zwei Eimer Wasser goss man über das Schwein, jeder bekam vom Schlachter ein scharfes Messer und nun wurde geputzt. Jedes kleinste Haar am Kopf, an den Ohren, den Pfötchen, am Schwanz, alles musste blank sein.

Nochmals kaltes Wasser drüber. Der Schlachter schnitt an den Hinterbeinen die Haut auf, nahm den Krummstock, steckte ihn durch die Sehnen, ein Strick um den Krummstock und mit „Hauruck" wurde das Schwein an den Haken gehängt.

Nun kam die Schnapsflasche zum Vorschein.

Erst wenn das Schwein am Haken hängt, dann wird einer eingeschenkt"

Jedes Jahr derselbe Spruch.

Der Schlachter nahm sein Messer und schnitt dem Schwein den Bauch auf. In eine große Molle ließ er die Därme und Innereien fallen. Der erste Blick der Hausfrau fiel auf den Speck. Je besser das Schwein gefüttert war, umso dicker war die Speckschicht. Schließlich war das Fett die Grundlage für das ganze Jahr. Die Leber wurde mit in die Küche genommen und man wartete auf den Trichinenbeschauer.

Der Schlachter fing inzwischen an, die Därme zu säubern. Der Kot wurde herausgedrückt, die Därme nach links gedreht und in den Abbrennetrog geworfen. Auch der Mager kam dazu, ein paar Hände voll Salz ( hiervon hatte jede Familie einen Zentner gekauft ) wurden auf die Därme geworfen und dann kräftig mit einem neuen Reiser gefegt.

Der Magen wurde extra lange behandelt.

Wenn draußen schon Schnee lag, wurde er in den Schnee geworfen und mit den Füßen solange getreten, bis er sauber war. Inzwischen war der Trichinenbeschauer da. Er hatte aus den Drüsen und den Fleischteilen kleine Stücke herausgeschnitten, nahm sie mit in die Küche und legte sie unter sein Mikroskop.

Nun suchte er nach Trichinen. Gott sei Dank fand er ganz selten welche. War alles in Ordnung, holte er einen Stempel aus seinen Koffer und stempelte das Schwein an mehreren Stellen ab. „ Trichinenfrei" stand auf dem Stempel. Eine Gebühr und ein bis zwei Schnäpse mit der Frage: „ Wo bist morgen?", ging er seine Wege.

Der Schlachtetisch war inzwischen in die ausgeräumte Küche gebracht worden. Zwei Mann hatten zwischendurch von der Familie, die am Vortag geschlachtet hatte, den Wurstetisch, den Fleischwolf, den Motor und die Stopfmaschine geholt. Alles stand in der Küche.

Unter jede Schweinehälfte ging ein Mann, nahm eine hälfte auf die Schulter, der Schlachter schnitt dem Schwein die Sehne durch und dann wurde das halb Schwein in die Küche getragen.

Nachdem der Trichinenbeschauer das Schwein freigegeben hatte, wurde die hälfte der Leber von den Frauen in Streifen geschnitten, gewürzt und mit Zwiebeln in der Pfanne gebraten. Nun wurde erst einmal gefrühstückt. Alles saß um den Küchentisch. Mittendrauf stand die Pfanne mit Leber und Soße.

Brot, Brötchen und gute Butter und jeder ließ es sich schmecken. Eine Tasse Kaffee und noch einen Schnaps und es ging weiter.

Das Schwein wurde vom Schlachter zerlegt.

Jetzt war wieder die Hausfrau gefragt. Denn einer wollte einen Schinken, der andere zwei. Der nächste gar keinen, aber dafür viel Mettwurst. Eine oder beide Seiten Speck? Das Fleisch und Fett, das gekocht werden sollte, kam in den Kessel, der mittlerweile wieder halb voll Wasser war, das fast kochte.

Das Fleisch, welches zur Mettwurst verarbeitet werden sollte, lag nun auf dem Wurstetisch. Es wurde in kleine Würfel geschnitten, der Motor angeworfen und das Fleisch durch den Fleischwolf gedreht. In kurzer Zeit lag auf dem Tisch ein riesiger Klumpen „ Gehacktes". Der Schlachter tat nach seinem Geschmack Salz und Pfeffer dran und mischte den Klumpen lange durch.

Mit einem großen Teller stand schon die Hausfrau da und ließ sich soviel Mett wie sie haben wollte, drauflegen.

Einen Teil legte der Schlachter für Schwartenwurst und Bregenwurst zur Seite.

Inzwischen waren die Flomen, die draußen in der Kälte lagen, steif geworden. Die Flomenhaut wurde abgezogen und kunstvoll zurechtgeschnitten. Meist saßen dann die Oma`s irgendwo am Ofen und nähten die Haut zu Mettwurstdärmen zusammen.

Die Flomen schnitt man in Streifen, tat sie in einen großen Topf und stellte sie auf den Küchenherd. Wenn das Fett dann flüssig war, füllte man es durch ein Sieb in Steinkrüge und das kalt gewordene Schmalz war der Vorrat für das ganze Jahr.

Der Rest im Sieb war das Griebenschmalz. Es schmeckte besonders gut mit Harzerkäse aufs Brot.

Der Schlachter holte die Stopfmaschine und stellte sie auf den Wurstetisch. Nun formte er aus dem Gehackten mit beiden Händen Kugeln und warf sie mit Schwung in die Stopfmaschine. Damit verhinderte er, dass später Luft in der Mettwurst war.

Zuerst wurden die Prunker gestopft, dann eine Reihe Kunstdärme und auch ein paar in dicke Naturdärme. Es war der Stolz jeder Hausherren, wenn er eine große Molle voll Mettwürste auf seinen Schultern hatte und sie in die Wurstekammer trug, um sie dort aufzuhängen. Inzwischen war das Fleisch im Kessel gar. Mit einer großen Kelle wurde es herausgeholt und in eine Wanne getan. Wenn es etwas abgekühlt war, wurde es hereingetragen und dann sortiert.

Alles was schön fettig war, kam in eine Wanne. Hieraus wurde später Knackwurst und Leberwurst gemacht.

Die Schwarten wurden abgezogen, ein paar gut durchwachsende, gekochte Fleischstücke wurden klein geschnitten und durch den Fleischwolf gedreht, rohes Gehacktes dabei, Gewürze, alles gut durchgemischt und die Schwartenwurst war fertig.

Ein Rest der Schwartenwurst blieb übrig und wurde zusammen mit Gehirn und ein paar Zwiebeln noch mal durchgedreht, anders gewürzt als die Schwartenwurst und die Bregenwurst war fertig.

Eine Riesenmenge der jetzt benötigten Zwiebeln war schon am Vortag geschält und das ganze Haus roch danach.

In der Waschküche oder im Schuppen, wo der Kessel stand, herrschte reger Betrieb. Die Fleischbrühe wurde aus dem Kessel mit einem Stieltopf durch ein Haarsieb in kleine Eimer gefüllt. Ein bisschen von dem abgefüllten Fett kam drauf und die älteren Kinder schnappten sich einen Eimer und brachten sie zu den Nachbarn.

In der Küche war nun das fettige Fleisch auf dem Wurstetisch. Auch das wurde noch einmal sortiert. Ein großes Stück Steake wanderte auf einen Teller und wurde in Sicherheit gebracht. Das Fleisch für die Rotwurst wurde auf einem Brett in Streifen geschnitten und dann in Würfel ( Kinkel ). Diese Kinkel kamen in eine Wanne, Gewürze dabei, Muskat darangerieben und nun kam das Blut dazu. Dem Schlachter machte es sichtlich Freude, alles gut zu vermischen und suchte sich dann einen, der die Rotwurst probieren sollte. Selten fand er jemanden, der es machte.

Die flüssige Rotwurst wurde in die Dickdärme gefüllt. Auch der saubere Magen wurde mit Rotwurst gefüllt und hier hinein kamen dann auch noch die gekochte Zunge und die Nieren, wenn sie nicht schon vorher mit Salz von den Schlachtegehilfen verspeist waren. Auch die Dosen wurden mit Rotwurst gefüllt, wie vorher auch schon mit Schwartenwurst.

Nun wurden die fettigen brocken durchgedreht. Ein weißer Brei floss aus dem Fleischwolf auf den Schlachtetisch. Es wurde kräftig gewürzt und die Knackwurst war fertig. Ab in die Stopfmaschine. Fünf und mehr Meter Dünndärme wurden auf die Tülle geschoben und nun wurden Weißwürste gemacht. Der Mann im Haus musste binden. Die Hausfrau teilte ein, wie viel große oder kleine oder kleine mit Doppelauge gemacht werden sollten.

Die kleine war für die Kinder der Verwandtschaft oder für gute Nachbarn. Wenn es genug Würste gab, machte man noch einen Teil in Dosen. Je nach Geschmack wurde ein Drittel oder mehr von der Knackwurst zurückgelassen und die Leber wurde durchgedreht. Mit der Weißwurst kräftig durchgemischt, nochmals gewürzt und abgeschmeckt. Einiges kam in Dickdärme und der Rest wieder in Dosen.

Zum Schluss wurde noch Sülze und Topfsülze gemacht. Alle Stücke, die sich für die andere Wurst nicht eigneten, sowie das Kopffleisch, wurden durch die grobe Scheibe gedreht, mit reichlich Kümmel gewürzt und in die Blase gefüllt. Der Rest kam in Dosen.

Der Rest von den Schwarten und noch andere Reste, ein bisschen Brühe wurden ganz fein durchgedreht. Dies war dann die Topfsülze oder Schwärchen. Zu Pellkartoffeln warm gemacht, war das oft ein Samstagmittagessen. Knack-, Leber-, Rotwurst und Sülze kamen dann in den Kessel und mussten gebrüht werden. Das Wasser im Kessel durfte nicht kochen. Deshalb musste immer einer am Kessel stehen, das Thermometer beobachten und die Würste umdrehen ( strebbeln ).

Inzwischen war das Schlachtegeschirr in der Küche abgewaschen und nach draußen gebracht. Der Tisch war gedeckt und es sollte noch mal gegessen werden. Dabei wurde mit dem Schlachter abgerechnet und der nächste Termin festgemacht, denn jeder schlachtete zwei mal im Jahr. Der Schlachter pökelte in der Wurstekammer noch das Pökelfleisch, wie Pfötchen, Eisbeine, Ohren und Rippchen oder auch noch das Schwanzstück in Salz ein.

Zu jedem Eintopf gab es dann ein Stück Pökelfleisch. Erbsen mit Pfötchen und Ohren oder Eisbein mit Sauerkraut waren dann im Winter die Hauptgerichte. Wenn der Schlachter sich dann verabschiedet hatte, zog der Mann mit den Wurstdosen dahin, wo er sie hatte abschneiden lassen.

Zwei bis drei Dosenzumachmaschinen waren im Dorf. Auf die Deckel wurde mit einem Buchstabenstempel ein Buchstabe aufgeschlagen. SW für Schwartenwurst, R für Rotwurst, L für Leberwurst u.s.w.. Die Dosen wurden dann mit der Hand zugedreht. Das war eine mühsame Arbeit. Wenn die Dosen dann fertig waren und man wieder zu hause war, war die Wurst im Kessel fertig. Sie wurde herausgenommen und zum kühlen auf ein Brett gelegt. Die Weißwurst kam ins kalte Wasser. Die Wurstbrühe wurde aus dem Kessel genommen, der Kessel kurz saubergemacht, frisches Wasser rein und kräftig untergeheizt.

Dann kamen die Dosen hinein und mussten zwei Stunden kräftig kochen. Mit einem Drahtkorb fischten die Männer die Dosen aus dem kochenden Wasser. Damit das Fett sich gleichmäßig verteilen konnte, mussten die Dosen noch eine Stunde im kalten Wasser bewegt werden. Nachdem sie dann abgetrocknet waren, damit sie nicht rosten, wurden sie noch in die Wurstekammer getragen.

So ging ein langer und arbeitsreicher Tag zu Ende. Am Abend bekamen die nächsten Nachbarn noch einen Teller mit frischem Gehacktes, Steake und von jeder Wurst ein kleines Stück. Schlachtete dann der Nachbar, bekam man auch wieder etwas zurück. So hatte man öfter frisches vom Schwein.

 

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Das Erntefest

 

 

 

Nach langer und schwerer Ernte wurde im Herbst von der Betriebsverwaltung ein Termin für das Erntefest bestimmt. Wenn der Termin feststand, gab es im Dorf nur noch ein Thema: Erntefest.

Ein paar Frauen wurden eine Woche vorher abgestellt und sie haben die Erntekrone, den Erntekranz und die Erntesträuße gebunden. Der Tanzboden auf dem Speicher wurde hergerichtet und geschmückt. Früher wurde die Erntekrone auf den Leiterwagen gestellt und Pferde vorgespannt. Arbeiter mit Sensen, Dreschschlegel, Harken und Forken standen auf dem Wagen. Vorweg ging eine Kapelle und eine ganze Schar von Arbeitern mit Frauen und Kindern aus Hunnesrück und Erichsburg wurden abgeholt und zogen gemeinsam zum Hof. Bei gutem Wetter wurde sogar im Park Kaffe getrunken. Sonst auf dem Tanzboden. Schon eine Woche vorher wurde Kuchen im Backhaus zu diesem Ereignis gebacken.

In der Waschküche am Gutshaus stand der Kuchensticken mit bestimmt 20 – 25 großen Kuchenblechen.

Unmengen Kaffee wurde gekocht, jeder brachte ein Kaffeegedeck mit und es wurde ausgiebig Kaffee getrunken.

Nach dem Krieg wurde von den Schulkindern auch zum Erntefest kleine Theaterstücke auf der Bühne unter Leitung des Dorfschullehrers vorgeführt.

Zur Melkezeit gingen dann alle wieder nach hause. Die Kuh wurde gemolken, die Schweine gefüttert, das Kleinvieh versorgt und die Kinder ins Bett gebracht. Dann zwischen 19.30 und 20.00 Uhr ging wieder alles zum Speicher. Dem Oberinspektor wurde die Erntekrone überreicht. Er bedankte sich dafür und hielt dann eine Ansprache, bedankte sich beim lieben Gott und bei den fleißigen Menschen, die die Ernte eingebracht haben.

Der Inspektor bekam den Erntekranz, die Hofmeister den Strauß mit Schleife. Dann spielte die Kapelle, die auf der Bühne saß, zum Tanz. Meist spielte die Kapelle „ Hokschen Hermann" aus Sievershausen. Bier und Schnaps gab es frei. Den Ausschank hatte immer die Familie Brand vom „Kühlen Grund". Kurz vor Schluss in der Nacht wurde dann noch schnell ein 50 Liter Fass angesteckt und das musste dann die nächsten Tage noch ausgetrunken werden.

Bei diesen Erntefesten ging es immer lustig zu. Ausgelassenheit und Einigkeit herrschten fast immer, denn es war das einzige Fest im ganzen Jahr.

Später wurden dann schon Biermarken ausgegeben und es wurde immer weniger.

Zwischendurch feierte man auch noch unter Leitung des Verwalters Wilke einen Rübenball auf dem Speicher.

Als dann 1959 die Getreidetrocknung im Speicher eingebaut wurde, musste der Tanzboden der Technik weichen. Danach wurden die Erntefeste zusammen mit Relliehausen in Ellensen, Relliehausen und in Drüber gefeiert.

Auch eine Busfahrt wurde mal gemacht. Dann schlief das Erntefest nach und nach immer mehr ein. Wieder war ein alter Brauch der schnelllebigen Zeit zum Opfer gefallen.

Wie wichtig den Verwaltern und Arbeitern gleich nach dem Krieg das Erntefest war, zeigt die Tatsache, dass ein großer Roggenhaufen mit einer Plane bedeckt und obenauf Gerste geschüttet wurde. Bei der Beschlagnahme durch die Besatzer wurde der Haufen als Futtergetreide angegeben. Später wurde der Roggen zur Mühle gebracht und es gab Mehl für das Erntefest.

Es wurde sogar Schnaps aus Rüben schwarz gebrannt, um beim Erntfest mal anstoßen zu können.

 

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Der Obstverkauf       

 

 

 

Unzählige Obstbäume waren ringsum Hunnesrück und Erichsburg verteilt. Hinter dem Hof waren zwei Obstgärten. An der oberen Strasse nach Lüthorst vom Backhaus bis zu den 4 Eschen und weiter bis zur Gummistrasse ( Parkstrasse).

Auf der Hofbreite zwischen den Weiden standen Apfelbäume. Vor den Siedlungshäusern in Erichsburg war auch noch eine Obstplantage im Förstergarten. Zwischen Erichsburg und Hunnesrück standen Apfelbäume. Am Försterhaus standen einige hohe Birnenbäume.

An den Strassen nach Deitersen und Lüthorst, überall standen Apfelbäume. Immer jeweils bis zur Gemeindegrenze wurden die Obstbäume an die Gemeindemitglieder verkauft.

An der Zwetschgenallee am Wasserhaus standen links und rechts Zwetschgenbäume.

An irgendeinem Sonnabend war es dann soweit. Das Obst wurde versteigert. Der Hofmeister traf sich mit den Käufern auf dem Gestütshof. Mit der Geldkassette unterm Arm, ein Messer und einen Bleistift, war seine Ausrüstung.

Die ganze Menschenmenge setzte sich Richtung Baumgarten in Bewegung. Fast jeder kannte aus den vorhergehenden Jahren, seinen Apfel-, Birnen- oder Pflaumenbaum. Hier wurde dann geboten, bis zum Äußersten. Manchmal fielen auch böse Worte, wenn sich zwei Käufer auf einen Baum versteift hatten. So wurde der Preis des Baumes unnötig in die Höhe getrieben.

Sehr zur Freude der Gestütsverwaltung. Denn vom Gestüt wurden die Bäume im Frühjahr beschnitten, auch mal neue gepflanzt und dann auch die Einnahmen kassiert.

War ein Baum verkauft, wurde mit dem Messer ein bisschen Rinde abgeschnitten und eine Nummer daran geschrieben. Im Hintergrund warteten schon Frauen und Kinder mit dem Handwagen, obenauf eine Leiter, Körbe und Säcke. Zwei Stunden später stand an jedem Baum eine Leiter und wieder friedlich pflückte jeder sein ersteigertes Obst.

An manch Hauptstrassen sind die Obstbäume längst verschwunden. Ein paar stehen noch im Baumgarten hinter dem Hof. Es wird nicht mehr versteigert. Keiner kümmert sich um die Bäume und selten pflückt noch jemand sich Äpfel ab.

Das Obst war eine wichtige Nahrung für die Familien. Als Eintopf waren Äpfel, Kartoffeln und Birnen sowie Kartoffeln und Zwetschgen einmal in der Woche dran.

Die Zwetschgen wurden entkernt und dann wurde unter ständigen rühren im Waschkessel Zwetschgenmuss gekocht. In große Steinkrüge ( Gröbben) füllte man es ab und es war auf jeden Kaffeetisch zu finden.

Auch Apfelstücke wurden im Backofen gedörrt und im Winter gekocht. Im Winter, wenn der Kohle- oder Holzofen in der Stube schön angeheizt war, wurden Puttäpfel gebraten.

All diese Sachen waren schon ein guter Grund dafür, einen guten Baum zu ersteigern.

 

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Die Leute  

 

 

Wie schon vorher geschrieben, arbeiteten alle Männer und auch viele Frauen aus Hunnesrück und Erichsburg auf dem Gestüt.

Wenn sich die Männer den ganzen Tag bei der Arbeit gesehen hatten und sich auch als Nachbarn am Abend über den Weg liefen, hatten sie keine große Lust, auch noch einen Verein zu gründen.

Es gab mal einen Gesangsverein mit einer prächtigen Fahne. Aber nach dem Weltkrieg, in dem auch viele Männer aus Hunnesrück/ Erichsburg gefallen sind, kam der Verein nicht mehr hoch. Später, so um 1948, wurde mal ein Sportverein gegründet, der aber 1952 oder1953 wieder aufgelöst wurde.

In einem so kleinen Dorf, wo jeder jeden kannte, kannte auch jeder dem anderen seine Probleme. Spitznamen waren an der Tagesordnung. Es gab den Soldatenrat, Den Kanter, den Seppl, den Mester, den Leutnant, den Teufel, der Greise, der Klamme, Ast mit hin, August Lurg, der Römer und viele mehr.

Wenn die Namen hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wurden, wusste jeder was und wer gemeint war.

Nach Kriegsende vollzog sich eine große Wende in Deutschland und damit auch in Hunnesrück und Erichsburg. Viele Männer waren eingezogen. Manch gefallener Mann, Vater und Sohn war die traurige Bilanz des Krieges. Der landwirtschaftliche Betrieb wurde mit teilweise übermenschlichen Kräften der Frauen und auch mit Hilfe russischer Gefangener, die in Erichsburg in der Fuchshöhle untergebracht waren, aufrecht gehalten. Aus den an Russland und Polen verlorenen Gebieten wie Ostpreußen, Schlesien und Pommern, kamen große Mengen von Flüchtlingen auf die Dörfer, die vom Bombenhagel verschont geblieben waren.

Jede Wohnung musste noch eine zusätzliche Familie aufnehmen. Jedes Zimmer, jeder verschlag wurde als Wohnung genutzt. So nach und nach kamen auch einige Männer aus amerikanischer oder englischer Gefangenschaft zurück. Später bis 1948 auch die Männer aus russischer Gefangenschaft. Jeder der ausgemergelten Männer versuchte dann auch in Hunnesrück arbeit zu bekommen. Es war ein bunter Haufen, der sich dann neben den „Fachleuten „ in der Landwirtschaft versuchte.

Lehrer, Maler, Bäcker, Schuster; also alle Berufe waren vertreten. Es gab geschickte, aber auch ungeschickte Typen.

Manch einem ist die Arbeit bestimmt sehr schwer gefallen. Wer noch nie eine Forke oder Grepe in der Hand hatte, war abends bestimmt froh, wenn der Arbeitstag, z.B. in der Getreidebanse zu Ende war.

Viele kleine Gemüsegärten waren schnell angelegt. Auf dem kleinen Acker im Pulverkamp oder am Kuhstall und auch hinter dem T- Haus.

Als die zerstörte Wirtschaft langsam wieder in Gang kam, gingen viele der Männer wieder in ihre Berufe und verließen Hunnesrück. Aber ein großer Teil ist hier geblieben.

Ein guter Grund war sicherlich eine Heirat. Ein anderer Teil war auch in Ostpreußen und in Trakehn in der Landwirtschaft und im Trakehner Gestüt tätig gewesen.

Ein Teil der berühmten Pferde, etwa 45 Stuten, waren mit dem Treck nach Erichsburg gekommen.

Es war ein Stimmenkauderwelsch, wenn 20-25 Männer z.B. Frühstück machten.

Hunnesrücker Platt mischte sich mit ostpreußischen oder schlesischen Dialekt. Es gab Sprachschwierigkeiten untereinander, denn bei den Preußen war oben dann unten.

Wurde mal ein Spitzname im Gespräch genannt, wussten die „Nichthunnesrücker" nicht, ob es richtige Name oder der Spitzname war.

So passierte es, das einer sagte: „ Herr Klamme, wie spät ist es?" Und dann gab es Ärger.

Andere Bräuche und andere Sitten führten oft zu Meinungsverschiedenheiten.

Es hat doch einige Jahre gedauert, ehe sich die Einheimischen und die Flüchtlinge zusammengerauft hatten.

Auf der Strecke ist dabei zuerst das Plattdeutsch geblieben. Ganz selten hört man noch jemanden in seiner Heimatsprache sprechen. Auch Sitten, die früher selbstverständlich waren, sind verschwunden.

Jedes Kind sagte solange, bis es zur Schule ging, Franken Onkel oder Garben Tante und Du. Heute heißt es Herr und Frau.

Der Haustürschlüssel steckte in der Haustür. War die Tür abgeschlossen, wusste jeder, es ist keiner zu hause, die sind im Garten. Ging man weiter weg, wurde der Schlüssel hinter die Fensterklappe gehängt.

Heute wird alles sorgfältig abgeschlossen.

Wollte man jemanden etwas bestellen, ging man durch die Haustür und klopfte an die Küchentür. Eine Klingel hatte keiner. Wenn nach der schweren und langen Arbeit abends noch etwas Zeit war, saßen die Nachbarn vor der Tür auf der Bank.

Die Frauen stopften Strümpfe, die Männer rauchten.

Heute setzt sich jeder in sein Auto und verschwindet in alle Himmelsrichtungen.

 

oben                                                   © Dieter Oppermann 1999